Redebeitrag 27.03.2021: Das neue Versammlungsgesetz, Militanzverbot und die Uniformierung

Wie wir schon in den vorangegangenen Beiträgen gehört haben, plant die schwarz-gelbe Landesregierung ein Versammlungsgesetz, welches die Versammlungsfreiheit in NRW massiv beschränken wird. Dieses ist laut Reul „ein Gesetz, das zur heutigen Zeit und zu den Menschen passt“. Es ist jedoch absolut nicht modern und freiheitlich – ganz im Gegenteil; es kommt eher einem Versammlungsverhinderungsgesetz nahe. Neben dem Störungsverbot, dem Verbot von Blockadetrainings, der ausgeweiteten Videoüberwachung bei Demonstrationen und den erhöhten formalen Hürden für Anmelder:innen von Veranstaltungen enthält das geplante Gesetz den §18, das sogenannte Militanzverbot. Nach diesem Paragrafen soll verboten werden Versammlungen zu veranstalten, diese zu leiten oder auch nur an ihnen teilzunehmen, wenn die Versammlung Gewaltbereitschaft vermittelt und dadurch einschüchternd wirkt. Wie das definiert wird? Durch das Tragen von Uniformen, Uniformteilen oder uniformähnlichen Kleidungsstücken, durch paramilitärisches Auftreten oder Auftreten in sogenannter „vergleichbarer Weise“. Was das überhaupt bedeutet, was daran problematisch ist und wieso dieser Paragraf sich vor allem gegen linke Protestformen richtet und nicht, wie so oft behauptet, gegen rechte Demonstrationen, wollen wir im Folgenden näher erläutern.

Innenminister Reul findet zwar, dasss es verständlich formulierte Regeln braucht, die wenig Interpretationsspielraum lassen, vor allem der §18 ist aber absolut unbestimmt und unverständlich formuliert. Was bedeutet denn „in vergleichbarer Weise“? Ab wann wirkt etwas einschüchternd? Und wer entscheidet letztlich darüber, ob eine Versammlung Gewaltbereitschaft vermittelt? Natürlich die Polizei selbst. Das Militanzverbot ist voll unklarer Rechtsbegriffe und bietet einen immensen Handlungsspielraum für die Cops. Dass dies polizeiliche Willkür zur Folge haben wird muss an dieser Stelle nicht weiter erläutert werden.
Ähnlich schwammig wie das Gesetz selbst sind auch die Aussagen einzelner Politiker:innen zur Umsetzung. So behauptet Dr. Christos Katzidis, Sprecher des Arbeiskreies für Inneres der CDU Landtagsfraktion, dass gleichförmiges Auftreten durch Uniformen harmlos sein kann und dass dies dann auch weiterhin erlaubt sei. Dass der Paragraf bei linkem Protest so ausgelegt werden wird, glauben wir nicht! Es ist zudem unklar, ob das Verbot für alle Teilnehmenden einer Versammlung gilt, oder nur für die Einzelpersonen, denen militantes Auftreten unterstellt wird. Ein Verstoß gegen den Paragrafen kann mit Geldstrafe oder mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden. Und das kann schon passieren, wenn man „aggressiv oder provokativ“ dazu beiträgt, dass eine Versammlung Gewaltbereitschaft vermittelt und dadurch einschüchternd wirkt. Reicht es in Zukunft aus, einen dunklen Pulli und Sonnenbrille bei der Demo zu tragen, um Gefahr zu laufen eine Geldstrafe oder gar eine Freiheitsstrafe zu kassieren? Wo fängt eine Uniformierung überhaupt an? Schließlich sind es nicht nur Antifas und Klimaaktivist:innen, die einheitliche Kleidung als Protestmittel nutzen. Auch Gewerkschaften, wie verdi, treten bei Versammlungen häufig mit identischen Westen auf. 
In diesem Kontext stellt sich demnach die Frage, wen dieses Militanzverbot denn vor allem treffen wird. Angeblich soll es dabei helfen, rechtsradikale Versammlungen zu unterbinden. Doch das stellt offensichtlich nicht den Schwerpunkt des Gesetzes dar. Stefan Hegger, Pressesprecher der Gewerkschaft Polizei NRW, hat bei der Formulierung von §18 bereits „klare Bilder im Kopf: Hooligans, Ende Gelände, Nenonazis“. Abgesehen davon, dass es absolut falsch ist, den klimaaktivistischen Protest von Ende Gelände mit gewaltbereiten Neonazis in einen Topf zu werfen, zeigt sich in seiner Aussage ganz klar, wo der Weg hingehen soll: Linke und Klimaproteste sollen von vornerein erschwert bis verunmöglicht werden. Es werden also genau denjenigen massiv Steine in den Weg gelegt, die rechtsradikale Aufmärsche und Versammlungen eigentlich verhindern wollen. Diesen Umgang mit linkem Protest kennen wir schon seit Jahren, wie auch zuletzt bei Veranstaltungen der antisemitischen Querdenker:innen deutlich geworden. Die Gefahr, die dieses Gesetz vor allem für linken Protest birgt, sehen wir auch aufgrund des sehr präsenten Naziproblems in der Polizei selbst. Wir erinnern uns: 14 Polizist:innen aus Dortmund sind erst vor Kurzem wieder im Kontext rechter Chatgruppen und Kontakte in die Dortmunder Neonaziszene aufgeflogen.
Insgesamt würden die Risiken und Hürden sowohl für Anmelder:innen, als auch Teilnehmende linker Proteste durch dieses Gesetz drastisch zunehmen. Wie es die Genoss:innen der Antifaschistischen Linken Münster in einem Statement zum geplanten Gesetz treffend auf den Punkt gebracht haben: „Der Gesetzentwurf gleicht einem Trojanisches Pferd. Unter dem Vorwand, gegen Rechts zu kämpfen, plant Innenminister Reul, massiv die Grundrechte aller einzuschränken“.
Aus diesem Grund ist es umso wichtiger der Landesregierung, den Führsprecher:innen und letztendlich der Polizei als ausführendes Staatsorgan nicht kampflos die Staße zu überlassen. Von Anfang an gehörte Aktivismus auf der Straße zu den Grundpfeilern von politischen Bewegungen auf der ganzen Welt.
Lassen wir uns dieses Aktionsfeld nicht nehmen!
Wenn wir unangemeldet oder dezentral aktiv werden, dann entscheiden wir das gefälligst selbst!
Antifa in die Offensive!