Wenn man in Dortmund durch die Brückstraße oder Münsterstraße läuft, findet man sich schnell an kulinarischen Hotspots und diversen Läden zum Einkaufen wieder. Oder auch auf den zahlreichen Überwachungskameras der Stadt. Kaum eine andere Strecke ist so kameraüberwacht wie die Verbindung von der Reinoldikirche in der Innenstadt bis hin zum Mehmet-Kubaşık-Platz in der Nordstadt. Gerade diese Viertel sind geprägt von Stereotypen, Stigmata und Raumverdrängung.
Ziel der Kameraüberwachung sei es, Kriminalität zu unterbinden. Doch so leicht lässt sich die staatliche Überwachung nicht begründen. Ein systematisches Problem wird sichtbar, das eher für staatliche Eigeninteressen steht als für zivile Sicherheit zu sorgen. Die hohe Überwachung dient dabei als Werkzeug von Polizei, Stadt und Ordnungsamt, um ihre Vorhaben strategisch durchzusetzen. Das Ziel ist dabei eine möglichst “saubere” Innenstadt mit perfektem Image zu schaffen. Folglich findet Verdrängung und Raumkampf statt. Im polizeilichen Handeln hat ‘Raum’ eine besondere Funktion. Zum einen wird versucht ihr Handeln in Einklang mit einem territorialen Herrschaftsdiskurs zu bringen.
Das bedeutet, Kriminalität wird Orten zugeschrieben. Gleichzeitig wird versucht den Vorwurf rassistischer Diskriminierung seitens der Polizei aufzuhebeln. So lasse sich damit ja die Kameraüberwachung nur gegen Orte begründen die Migrant:innen besuchen und nicht gegen Migrant:innen selbst. Racial Profiling at its best.
Bereits vor einigen Jahren wurde in den Dortmunder Planungsdokumenten zur Kameraüberwachung ein besonderer Fokus auf “Shisha Bars mit einschlägigem Klientel” oder dem ehemaligen Nordpol mit Standort an der Münsterstraße und dessen linkem Publikum gelegt. Vorurteile über Shisha Bars und dessen Kund:innen fallen unter Racial Profiling, struktureller Rassismus ist tagtäglich präsent. Dass dieser strukturelle Rassismus bis zum Tod führen kann, zeigt sich zum Beispiel an dem Attentat in Hanau. Der Notausgang einer Shisha Bar war auf behördlichen Anlass verschlossen, als ein Mann am 19.02.2020 aus rassistischen Gründen neun Menschen ermordete. Dabei gelten Shisha Bars bei jungen migrantischen Menschen eigentlich als Safer Space. Gleichzeitig fördert, wie auch in Dortmund, eine hohe Kameraüberwachung staatliche Repression und Kriminalisierung durch Politik und Medien. Es wird eine kriminelle Parallelwelt geschaffen. Dabei stimmt die öffentliche Wahrnehmung nicht mit der sozialen Realität überein.
Aber ist Kriminalität als Grundlage für Kameraüberwachung ein räumliches Problem?
Fakt ist: Überwachung schafft Zahlen und Verdachtsfälle werden mit Täter:innen gleichgesetzt. So lässt sich bei einer ähnlich hohen Kontrolle an jedem beliebigen Ort eine Grundlage für Kameraüberwachung schaffen, auch am Phoenixsee oder Westenhellweg. Beim “Kampf um die Straße” wird laut Polizei eine “Null Toleranz” Schiene gefahren, auch wenn in den gutbürgerlichen, fürs Stadtbild schönen Ecken Dortmunds gerne weggeschaut wird. Dass es nur Viertel trifft, die ein Dorn im staatlichen Auge sind, könnte man zynisch als gewollt bezeichnen. Die Kameraüberwachung in Dortmund, scheint als ein bundesweites Pilotprojekt, als Allzwecklösung für Polizeipräsident Lange, Stadtverwaltung und Ordnungsamt zu dienen. Insbesondere Gregor Lange wird von bürgerlichen Medien als Vorreiter und Visionär bezeichnet, war maßgeblich an dem hohen Überwachungsaufkommen beteiligt. Über die teilweise konstruierten “guten Effekte” sprechen viele, über die schlechten Auswirkungen und klar gesteuerten Vorhaben wenige. Das möchten wir mit unserem medialen Fokus verändern.
Alle Dortmunder:innen unter Generalverdacht zu stellen kann aus einer linken Perspektive nicht die Lösung sein. Auch ist es eine Illusion, dass Kameraüberwachung Straftaten verhindert. Sie werden höchstens in Nebenstraßen verdrängt und Problemzonen verlagern sich, da es keine gesellschaftlichen Lösungsansätze mit den betroffenen Menschen gibt. Aber wo kein Kläger, da kein Richter – wo keine Kamera, da keine Straftat. Es könnte wohl alles so simpel sein, denkt sich die Polizei, die sich gerne ihre Bilanzen zurechtrückt, wie es gerade passt, um ihre Agenda zu pushen. Dabei darf man nicht vergessen, dass aus einer Pressemitteilung des OVG Münster ersichtlich wurde, dass die Polizei, trotz Standort in der kameraüberwachten Münsterstraße, es nicht schafft unter einer durchschnittlichen Zeit von 15 Minuten zum Eingreifen bei einer Straftat zu gelangen.
Das Scheitern der Polizei wird immer deutlicher. Die Kameras müssen weg!