Dortmund-Dorstfeld: Die Letzten beißen die Hunde

Im August 2022 zogen wir mit einer Tapetenaktion in der Innenstadt, Bilanz zur personellen Situation der lokalen Naziszene, rund um den harten Kern aus Dorstfeld. Wir stellten damals schon berechtigterweise die Frage, wer gibt die Ruhrmetropole als nächstes auf?
Nun mehr als ein Jahr später, zeigt sich nochmal deutlicher, warum diese Frage nicht unberechtigt war:

So kehrte bereits Matthias Deyda, der zurzeit noch einen Sitz im Rat der Stadt hat, Dortmund gen Ost den Rücken. Dass Deyda dabei seinen Sitz im Rat nicht ebenso weiter gibt, wie seine Vorgänger mag dabei auch daran liegen, dass das Feld an dazu fähigen Kameraden so langsam aber sicher endgültig leergefegt ist und kompetenter Nachwuchs in weiter Ferne scheint. Aktuelles politisches rechtes Engagement in Dortmund, beschränkt sich in diesem Sinne, wohl eher auf Social Media Plattformen wie TikTok, Badebesuche am Kanal, das Verteilen von Stickern an Schulkinder und Übergriffe auf wohnungslose Frauen.

Mit Jim Koal und André Penczek können zwar zwei weitere Nazis parlamentarische Erfahrungen in Bezirksvertretungen sammeln, müssen dort allerdings auch, zumindest nach außen, den Schein waren, als wäre bei der Heimat Dortmund noch wirklich wer an parlamentarischer Politik interessiert.
Nun hat es den nächsten der alteingesessenen Kader und über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Galionsfigur dazu bewogen, Dortmund endgültig aufzugeben und sein Glück lieber in Sachsen-Anhalt zu versuchen. Nachdem es weder mit der eigenen Druckerei, dem Kampf der Nibelungen als Sportevent, der angestrebten Relevanz im Stadtbild, auf der Straße oder der politischen Wirksamkeit des eigenen Seins in Dortmund funktionierte, ist der Schritt sich in unverbrannte Gefilde zurückzuziehen, durchaus eine logische Konsequenz Alexander Deptollas.
Allerdings zeigt dies auch deutlich, dass von der sonst so beschworenen familiären Kampfgemeinschaft um den Wilhelmplatz nicht mehr viel übriggeblieben ist und es nun nicht mal mehr die Kameraden hält, die ihre Wurzeln in Dortmunds politischer Rechte haben. Als Verfechter von Gewalt, einer gerade nach außen symbolisierten, gemeinsamen Stärke, völkischen Traditionen, lokalpatriotischen Mythen und Sichtweisen, als welcher sich Deptolla stets verstand, wird somit umso bitterer die Pille des politischen Versagens in Dortmund geschmeckt haben. So wird es für den sich Ende der 90er Jahre radikalisierten Deptolla, vermutlich nur schwer aushaltbar gewesen sein, dass die spätestens seit 2005 selbst mitaufgebauten lokalen rechten Bestrebungen, allmählich wie ein Kartenhaus zusammenfallen. So gaben jahrelange Begleiter gemeinsame Projekte auf und erklärten öffentlich den nationalen Kampf in Dortmund als gescheitert, wie es zuletzt Michael Brück noch einmal im szeneeigenen Videoformat betonte.
Umso selbsterklärender ist das schon fast krankhaft wirkende Verhalten von Deptolla bezogen auf das Rühmen mit altbekannten lokalen Errungenschaften, geschichtlichen Lobeshymnen und das verbissene Attestieren von Unfähigkeit der lokalen Antifa in Dortmund. So wirken gerade die letzten Wochen und Monate wie eine sich selbst erteilte Legitimation zum Wegzug, die sich vor allen Dingen in seinem ambivalenten Verhalten zu Dortmund in der Öffentlichkeit widerspiegelt. Unter der Woche ist man in diesem Sinne noch am Ausladen in Sachsen-Anhalt und am Wochenende hält man gemeinsam in Dortmund mit Kameraden den Schein des lokalen Aktivismus hoch. Genügend Zimmer für regemäßige Besuche sollte man mittlerweile in Dortmund ja zur Verfügung haben…
Wie zuvor kurz angerissen, wird es für die übriggebliebenen Dortmunder Neonazis in diesem Sinne immer schwieriger das Restimage eines angeglichenen Nazikiez aufrecht zu erhalten. So ist es schlicht nicht mehr der Fall, dass sämtliche Kader sich in den berüchtigten Immobilien in der Emscher- und Thusneldastraße stapeln und sich, um der Öffentlichkeit und dem antifaschistischen Druck besser entgehen zu können, über Dorstfeld verteilen. Zwar wird immer mal wieder versucht einzelne Wohnungen nachzubesetzen um das mediale Bild des Nazikiezes am Wilhelmplatz aufrecht zu erhalten, viel mehr sind es jedoch in der breiten Masse unbekanntere Immobilien wie das Haus in der Siepenmühle, die dabei einen gern gewählten Rückzugsort für Nazis bieten, da viele von ihnen anscheinend keine Lust auf dauerhafte Berichterstattung, Öffentlichkeit, Interventionen und Hausbesuche durch Repressionsbehörden, die dann gleich das ganze Haus belagern, haben. Die Räume in der Thusnelda- beziehungsweise Emscherstraße dienen dabei allerdings weiterhin als wichtige Infrastrukturräume für Liederabende, Social Media Aufzeichnungen, Schulungen oder auch als Meldeadressen für Rechte Verlage.

Es wäre jedoch falsch zu glauben, dass sich die Probleme mit der lokalen Naziszene so in Luft auflösen. Zwar ist mit Deptolla eine der letzten großen Führungsfiguren der Szene weggezogen, doch bleibt natürlich weiterhin eine Anzahl an gewaltbereiten Faschist:innen. Die junge Generation an Nazis, die gerade dabei ist in Dortmund Fuß zu fassen, versucht dies mittlerweile immer wieder durch Gewalt und Drohungen gegen politisch Andersdenkende zu untermauern. Auch wenn dies nicht immer so gut und mit für sie positivem Ausgang zu klappen scheint, wie von ihnen gewünscht. Die anfängliche Aufzählung der aktuellen Betätigungsfelder der lokalen Naziszene, welche sehr plakativ den Verlust von politischer Kompetenz und Relevanz darstellen sollte, ist jedoch in keinster Weise zu verharmlosen. Zuletzt fiel diesbezüglich Alessandro M. aus Marten auf, der eine Instagram Story postete, bei dem eine Waffe auf das Parteibüro der Grünen gerichtet wurde.
Auch wenn mit dem notorisch kriminellen Steven Feldmann, zeitnah eine weitere populäre und aufmerksamkeitssuchende Figur aus Dorstfeld kaltgestellt ist, gilt es weiterhin ein wachsames Auge auf die lokale rechte Szene und ihre Bestrebungen zu werfen und diese sich nicht in Sicherheit wiegen zu lassen. So ist zu vermuten, dass die jüngere Generation auch weiterhin durch Gewalt, um eine bedeutsame Rolle und Festigung in einer eigenen Szene buhlt, die in Dortmund immer mehr aus stumpfer Gewalt, unüberlegten Tätowierungen und nachgeplapperten Phrasen besteht, als aus gefestigter Ideologie und politischem Know-How.

Warum gerade Deyda und Deptolla jahrelang eine zentrale Rolle für die rechte Szene in Dortmund spielten, könnt ihr zudem nochmal in unserem 2021, nach Michael Brück vollzogenem Wegzug, veröffentlichen Porträts nachlesen.