Aber der ist doch ausgestiegen: aber stimmt das eigentlich?

„Das war doch nur eine Jugendsünde“, „Das war früher“ oder auch klassisch „Ich bin schon lange Ausgestiegen“. Solche oder ähnliche Aussagen hört man immer wieder, wenn man Nazikader in der Öffentlichkeit mit ihrer menschenverachtenden Einstellung konfrontiert. Was aber bedeutet eigentlich ein Ausstieg aus der Rechten-Szene?

In erster Linie ist es natürlich zu begrüßen, wenn Leute sich von faschistischer Ideologie abwenden, allerdings gibt es dafür notwendige Referenzpunkte um sicherstellen zu können, dass eben genau diese Distanzierung ernst gemeint ist und der Rückweg zu den Kamerad:innen verbaut bleibt. Der Grund dafür ist einfach, auch wenn das politische Klima in Deutschland aus linker Sicht nicht angenehmer wird, bleiben Nazis eine abgekapselte und nicht gern gesehene Gruppe der Gesellschaft. So kommt es natürlich vor, das Kader aufgrund ihres faschistischen Handelns Stress auf der Arbeit, in der Schule oder in der Freizeit bekommen, weil Antifaschist:innen sie mit ihrem Handeln konfrontieren oder auch Repressionsorgane Druck in diesen Bereichen aufbauen. Als weiterer Grund, kann aber auch das Gründen einer Familie oder die stärkere Einbindung in andere Verantwortungen dazu führen, dass Personen inaktiver werden und sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen. Schnell folgen dann verbale Distanzierungen. Der zusammenhangslose Schwur, dass man „längst raus sei“, folgt dann meist sogar schneller als die Betonung, dass man mittlerweile Demokrat:in sei und die eigenen Sichtweisen überdacht hat.

Genau dieser einfache Weg wird auch immer wieder in Dortmund angewandt, um aus kniffligen Situationen herauszukommen, Fuß in der Gesellschaft zu fassen und weitreichenden Konsequenzen entgehen zu können.
Wozu das führt, kann man von Kameradschaftsstrukten wie den „Frontline Skinheads Dortmund“ bis hin zu Parteien wie der „Heimat Dortmund“ sehen. In beiden Kreisen sind Personen aktiv die angeblichen Ausstiege hinter sich haben. Dabei gibt es auch mindestens eine Person, die zumindest teilweise ein staatliches Ausstiegsprogramm besucht hat und weiterhin aktiv in der rechten Szene ist.

Um genau das zu verhindern und einen glaubwürdigen Ausstieg aus der Naziszene durchlaufen zu können, gilt es also einen unwiderruflichen Bruch mit den Akteur:innen zu schaffen, der keine Kompromisse zulässt. Dies funktioniert aber nur dadurch das “ehemalige” Akteur:innen Strukturen offenlegen und auch vergangene Taten aufgelöst, eingestanden und reflektiert werden. Es geht dabei eben nicht wie von einigen „Influencer-Aussteigern“ um „das waschen schmutziger Wäsche“, sondern darum dieser menschenverachtenden Ideologie samt ihrer Anhänger:innen zu schaden. Falsch verstandene Loyalität und der vermeintliche Schutz der alten Freund:innen lassen einen gewollten Ausstieg dementsprechend unglaubwürdig erscheinen und verunmöglicht, aus linksradikaler Perspektive, einen Rehabilitierungs- und Resozialisierungprozess in die hiesige Gesellschaft. Die eigene Rolle in der rechten Szene, der aussteigenden Person, muss auch von dieser reflektiert und begleitet von einer altruistischen Sichtweise aufgearbeitet werden. So zeigen Erfahrungen immer wieder, dass die eigenen Anteile gerne heruntergespielt werden und in Situationen begangene Taten oft anderen, nachweislich dabei gewesene Personen, zugeschrieben werden, um besser da stehen zu können. Vielmehr muss es jedoch in einem authentischen Ausstiegsprozess aus Nazistrukturen um Wiedergutmachung und nicht etwa um das Herausziehen des eigenen Kopfes aus der stetig enger werdenden Schlinge gehen.

Ohne solch notwendige Schritte bleibt ein Ausstieg unvollständig und gibt somit keinerlei Garantie, am Ende nicht doch nur eine rein oberflächliche, auf das eigene Image bezogene Abkehr von der rechten Szene zu sein, um bei der örtlichen Bäckerei oder dem trendigen Tattoostudio einen Job zu erlangen, während man weiterhin engen Kontakt zu seinen faschistischen Freund:innen hält.