Die Dortmunder Neonaziszene ist trotz ihrer Größe, ihres Bekanntheitsgrades und den von ihr beanspruchten Räumen in der hiesigen Zivilgesellschaft scheinbar komplett isoliert.
Durch ihren offen propagierten Nationalsozialismus haben sie sich jegliche Chance verbaut, an eine bürgerliche bis populistische Rechte anzuknüpfen.
Lediglich in einzelnen Stadtteilen, die die Neonazis um die Partei “Die Rechte” schwerpunktmäßig bearbeiten, lassen sich gewisse Anknüpfungspunkte beobachten.
So beispielsweise in Eving, wo die von Nazis ins Leben gerufene Initiative “Nein zum Heim” mit ihren Versammlungen auch Anwohner*innen ansprechen konnte, die nicht schon ein geschlossenes neonazistisches Weltbild hatten, und ihre Facebookseite mit mehreren tausend Follower*innen eine der größten rechten Seiten Dortmunds ist.
Generell ist jedoch zu sagen, dass diese vermeidliche Errungenschaft eher ein Einzelfall ist.
Wer in Dortmund “einfach nur gegen Ausländer*innen” ist, kann im Regelfall mit solchen glühenden Hitler-Verehrer*innen keine gemeinsame Sache machen. Diese klare Grenze zwischen der lokalen extremen Rechten und der Zivilgesellschaft lässt sich zum Beispiel damit belegen, dass es hier nur kurz einen Pegida-Ableger gab, der schnell gescheitert ist, und auch bei ähnlichen Versammlungen in der Region sind die hiesigen Die Rechte-Kader ausgeschlossen.
Selbst zu anderen sich klar nationalistisch und rassistisch bekennenden Strömungen im Umkreis hat die Dortmunder Nazistruktur nur sehr dürftige Kontakte und wenig Unterstützer*innen im alltäglichen lokalen Stadtgeschehen. Mit den mittlerweile bis auf vereinzelte Reste inaktiven oder in die eigenen Reihen übergelaufenen Weggefährt*innen von früher sind sukzessive vor ein paar Jahren somit auch die letzen Partner*innen in der eigenen Stadt weggebrochen.
Viel lieber führt man gegen immer wieder aufkommende Gruppierungen, wie aktuell die “Identitäre Bewegung”, einen Platzhirsch-artigen Revierkampf, bei dem man sich auf keinen Fall die braune Butter vom Brot nehmen lassen will. Scheinbar ist die Angst vor der Vorstellung, in Dortmund die rechte Monopolposition zu verlieren, so groß, dass man sich nicht in der Lage fühlt, ernstzunehmende Verbündete in direkter Nähe zuzulassen. Lieber verfolgt man ein wie einstudiert wirkendes Vorgehensmuster, um andere rechte Strukturen direkt wieder aus der eigenen Stadt zu jagen.
Stattdessen und um diese Lücke zumindest von Außen zu füllen, zieht man lieber kurzerhand eine Art Nachwuchstruppe heran, nennt sie “Aktionsgruppe West” und lässt die neu gewonnene und gut steuerbare Personalressource dann ein eigenes Stadtgebiet bespielen – mit Aktionsformen, für die sich die altbekannten Gesichter mittlerweile zu schade sind.
So verheizt und instrumentalisiert Die Rechte ihre eigene Jugend, die zwar Aktionen zwischen rechtlicher Grauzone und Straftaten abdecken soll, auf der anderen Seite jedoch die Fassade der eigenständigen, bürgerfreundlichen Jugendorganisation aufrechterhalten muss, um mit Infoständen und Flyer-Aktionen ein Scheinbild von Beteiligung im Stadtteilen zu erzeugen.
Ein weiterer Versuch, trotz des Monopolkampfes Profit aus anderen Strukturen zu schlagen, ist die zurzeit bestehende Ratsgruppe zwischen den Dortmunder Ablegern der Parteien “Die Rechte” und der NPD.
Hierbei geht es jedoch nur um strategische Vorteile bei Ratssitzungen oder das Anfertigen von Werbegimmicks, wie zum Beispiel gemeinsamen Aschenbechern und Feuerzeugen. An sich sind sich die Leute um die Partei “Die Rechte” herum spätestens seit dem letzten Revierkampf 2013 mit der NPD sicher, dass von dieser Seite keine große Gefahr besteht, in Dortmund an Boden zu verlieren.
Ein ähnliches Verhalten zeigt “Die Rechte” auch auf europäischer Ebene. Sie hat sich erst Mitte April mit anderen internationalen extrem rechten Organisationen und Parteien zu einem europaweiten Bündnis mit dem Namen “Festung Europa” zusammengeschlossen.
Auch hier geht es jedoch eher um größere Interessen und strategische Vorteile in europäischen Fragen, nicht etwa um den Kontakt in die Zivilgesellschaft und das Verdeutlichen einer anschlussfähigen politischen Ausrichtung. Dass Nazis mit Nazis kooperieren, hilft Der Rechten nicht über die rote Linie hinweg, die die Zivilgesellschaft ihr aufzeigt.
Auch wenn wie gerade erläutert die lokalen Nazistrukturen nur punktuell Profite aus dem gesellschaftlichen Rechtsruck schlagen kann, der hier doch noch deutlich vor der für Populist*innen meist zu radikalen Ideologie zum Halten kommt, bleibt das Problem von autoritärer Sehnsucht, Heimatliebe und im Kopf gefestigtem Nationalismus in der viel gelobten gesellschaftlichen Mitte bestehen.
Die Grenze zwischen Neonazis und Zivilgesellschaft kann aus diesem Grund auch hier in Dortmund sowie darüber hinaus als ständiges Projekt gesehen werden, an dem nicht nur radikale Linke arbeiten sollten. Sie verschwimmt, sobald wir nachlassen, auf Rechte und ihre Aktivitäten hinzuweisen, sie zurückzudrängen und klare Kante von Allen einzufordern. Wir können uns nicht darauf ausruhen, dass Nationalsozialismus verpönt ist.
Zu dieser Einsicht muss auch zwingend gehören, nicht nur gegen extreme Rechte vorzugehen. Den Geflüchteten ist egal, ob ein Neonazi oder eine bürgerliche Rassistin ihre Unterkünfte anzündet. Ob ein Rechter sie angreift oder sie wie auch in Dortmund von der deutschen, demokratisch legitimierten Ausländerbehörde abgeschoben werden, macht in der Gefährlichkeit für Geflüchtete wohl keinerlei Unterschied.
Gleiches gilt für antisemitische Ausfälle, sexistische Übergriffe und so weiter. Wer es ernst meint mit der Forderung, Rechten keinen Raum lassen zu wollen, muss sich ehrlich fragen, wo dieses Rechts anfängt, und dann als Antwort darauf akzeptieren, dass rechtes Gedankengut bis weit in die gesellschaftliche Mitte und auch linken Kreise hineinreicht, wie auch die jüngst veröffentlichte jährliche Mittestudie zeigt.
In Dortmund redeten jahrelang offizielle Stellen das Problem mit den Rechten klein. “Wir haben hier kein Problem mit rechter Gewalt”, hieß es da, Betroffene wurden allein gelassen und man legte Antifaschist*innen immer wieder Steine in den Weg. Gleichzeitig bedient man sich jedoch stets gerne an antifaschistischer Recherche und verkauft die Informationen dann wenn möglich als eigenen Erfolg, wie beispielsweise der polizeiliche Staatsschutz immer wieder zeigte. Vor einigen Jahren schwenkte man dann um. Die Stadtoberen mit SPD-Parteibüchlein konnten sich nach langem Druck von links dazu durchringen, die rechte Gefahr zu sehen und öffentlich anzusprechen.
Doch wer sich nun freute, war zu optimistisch. Oberbürgermeister Ulrich Sirau, Polizeipräsident Gregor Lange und führende Gewerkschafter*innen, wie die Galionsfigur des 2005 gegründeten “Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus” Jutta Reiter, stellen sich vermeintlich an die Front einer antifaschistischen Bewegung und geben sich seither als Speerspitze des Kampfs gegen Rechts, der ihnen als dankbares Propagandaobjekt für die eigene Karriere dient.
Sobald Medien anwesend sind, drängen sie nach vorn vor die Kameras und geben floskelüberhäufte Statements mit viel Pathos ab.
Doch von ihnen ist mehr als das nicht zu erwarten. Unter Berufung auf die Extremismustheorie, die rechte sowie linke vermeintliche Ränder einer Gesellschaft als gleichermaßen schädlich für die Demokratie darstellt und die gesellschaftliche Mitte als unfehlbar deklariert, distanziert man sich offiziell immer wieder gerne von Linksradikalen und spricht ihnen ab, eine ernstzunehmende und wichtige Institution im Kampf einer Stadt gegen Neonazis zu sein.
Wir haben diesen Umgang mit Heuchler*innen, die unter vermeidlich gut klingenden Slogans wie “Bunt statt Braun”, “Dortmund hat keinen Platz für Rechtsextremismus” und “Dortmund Nazifrei” laufen satt.
Seit Jahren reichen Linksradikale bürgerlichen Kräften immer wieder die Hand. “Gemeinsam sind wir stärker”, ist immer wieder die Hoffnung.
Doch immer wieder aufs Neue wurden wir von den vorgeschobenen Aktionen, die lediglich dazu dienen ihre eigentlichen Motive der Scheinaktivität, der Selbstprofilierung und der Nutzung der Kulisse für politische Inszenierung bei anstehenden Wahlkämpfen zu verfolgen, enttäuscht.
Bürgerlich-linke Bündnisse wie der “Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus” haben eine falsche Auffassung von Protest gegen Nazis. Immer wieder, wie auch dieses Jahr, als es um die Frage ging, wo die Nazis bei ihrer morgigen Demonstration laufen werden, wusste dieses Bündnis Wochen im Voraus bescheid. Wie schon so oft mobilisierte der „AK Rechtsextremismus” schon lange nach Hörde, zufälligerweise genau der Stadtteil durch den die rechte Route führt, bevor andere Akteur*innen durch eigene Rechercheleistungen erfuhren, wo ihr Protest stattfinden muss.
Damit wollen diese Bündnisse als Einzige die Möglichkeit haben, schon Wochen im Vorfeld zu Treffpunkten direkt an der Route der Nazis zu mobilisieren, während Andere mit Treffpunkten in ihren Aufrufen lange abwarten müssen und denen die Polizei oft keine Anmeldung in der Nähe des Aufmarschs genehmigt. Dieser Klüngel zwischen Behörden und den von ihnen ausgesuchten erlaubten Protestformen und -Akteur*innen kotzt uns an!
Bürgerlich-Linke, die auch immer wieder durch Platzverweise von ihren Demonstrationen gegen gegen vermeintliche Linke vom “schwarzen Block” eine Kriminalisierung von Linken durch die Polizei mit vorantreibe, verfolgen nicht unseren Antifaschismus und die damit verbundene Auffassung von Engagement gegen Rechts.
Eine Entsolidarisierung wie die des “Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus” und berechnete Selektion möglicher Unterstützer*innen, von denen sie sich in der Öffentlichkeit nichts erhoffen, ist inakzeptabel. Ihnen geht es nur um den für “ihren” kleinen bürgerlichen Kreis symbolisch und ohne entschlossen antifaschistischen linken Impuls inszenierten Protest direkt an der Naziroute, um im besten Fall das eigene Gewissen zu besänftigen und sich selbst im Sinne der Stadtpolitik und medialer Aufmerksamkeit beweihräuchern zu können.
Ebenso die Polizei, die als Versammlungsbehörde Demonstrationen von Neonazis kaum im Griff hat und Straftaten nicht ahndet, während linke Demonstrant*innen permanent schikaniert werden und dabei das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit auch gerne mal nach Lust und Laune mit Füßen getreten wird, wie wenn sie Linke über eine Stunde an einem U-Bahnhof festhält und so an der Anreise zu einer Versammlung hindert.
Oberbürgermeister Ulrich Sierau, der ein antifaschistisches Camp verbietet und dann beim Gedenken an Todesopfer des Nationalsozialismus in der Bittermark von einem “Nie Wieder” und angeblich europäischen Werten schwafelt.
Der DGB, dessen Ordner*innen Antifaschist*innen unter Einsatz von Ohrfeigen von seiner Demonstration werfen ließ, einfach weil sie sie als radikal identifiziert hatten sind.
Solche Strukturen sind nicht unsere Begleiter*innen im Kampf gegen Rechts, sondern tragen vielmehr zu einer in Dortmund sehr inaktiven Zivilbevölkerung bei.
Ausdrücklich ausnehmen wollen wir aus unserer Kritik das BlockaDO Bündnis. Hier engagieren sich Menschen seit Jahren ernsthaft gegen Rechts und scheuen sich bei ihren Blockadeaktionen nicht vor der Zusammenarbeit mit linksradikalen Strukturen, statt wie Andere im eigenen SPD-Gewerkschafts-Sumpf ein symbolisches Schilderschwenken vor den Kameras zu veranstalten. Sieht man hier eher das gemeinsame Ziel und einigt sich immer wieder auf einen für alle vertretbaren Konsens, der sich in einem solidarischen und emanzipierten Umgang miteinander äußert.
Für leider die allermeisten bürgerlichen Zusammenschlüssen gilt jedoch weiterhin:
Euch PR-geilen Heuchler*innen haben wir satt und wollen nicht weiter ohne eine kritische Auseinandersetzung euren Hufeisen-Fetischismus stehen lassen!
In eurem Medienprestige geht es nicht um Antifaschismus. Ihr wollt nur Karriere machen um jeden Preis!
Wir machen weiterhin Antifaschismus ,macht mit oder haltet euer Maul!
Bildquelle 1. Foto: @Flug_Hoernchen
Bildquelle 2. Foto: David Peters