Rechte Machtdemonstrationen und die schweigende Justiz
Heute wurde der Neonazi Steven Feldmann zu zwei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Der unter anderem wegen diverser Gewalttaten bereits in der Vergangenheit mehrfach verurteile Rechte bleibt bis Haftantritt in Untersuchungshaft. Zusätzlich zur heute angesetzten Haftstrafe kommen noch zwei weitere Strafen zu jeweils mehreren Monaten, die in vergangenen Verfahren auf Bewährung verhängt wurden und nun doch angetreten werden müssen. Zudem laufen noch Ermittlungen und Verfahren in anderen Fällen gegen ihn, denn Feldmann ging auch nach vergangenen Repressalien umtriebig und gewaltsam gegen politische Gegner*innen und Menschen, die nicht ins rechte Weltbild passen, vor.
Seit Steven Feldmann im vergangenen November in Untersuchungshaft genommen wurde, sind rechte Gewalttaten in Dortmund drastisch zurückgegangen. Allerdings ist von seiner Inhaftierung keine langfristige Besserung zu erwarten. Zu ihrem Zeitpunkt hatte Feldmann bereits zwei offene Bewährungen wegen verschiedenster Delikte, hauptsächlich Gewalttaten. Er war sich, als er erneut Verbrechen beging, im Klaren darüber, dass ihn diese Taten nun sicherlich wirklich in Haft bringen würden, was ihn mitnichten davon abhielt, weiter Menschen anzugreifen.
Dass Feldmann sich nicht durch Repression von Gewalt abbringen lässt, liegt unter anderem an seiner Geschichte, denn er wurde von Kindesbeinen an in der rechten Szene sozialisiert. Er wuchs im Umfeld der rechten Hooligangruppe Borussenfront auf und beging schon im Jugendalter Angriffe auf Linke. Diese Aggression führte er weiter bis ins junge Erwachsenenalter in dem er heute ist, denn sie ist für ihn Instrument für seine faschistische Ideologie, der er sich verschrieben hat. Daher besteht keinerlei Aussicht darauf, dass Feldmann allein durch eine Haftstrafe von Gewalt oder anderen Straftaten in Zukunft abzubringen sein wird.
Die lokale rechte Szene inszeniert ihn zu einer Art Märtyrer und unterstützte ihn durch Anwesenheit beim Prozess. Er ist viel zu tief in der Szene und ihrer Ideologie verwurzelt und darum auch viel zu überzeugt von seinen Gewalttaten, als dass man auf einen Ausstieg hoffen könnte.
In der Verhandlung ließ Steven Feldmann sich von dem seit Jahren offen als Neonazi auftretenden Wahlanwalt André Picker verteidigen. Picker setzte im Prozess Zeug*innen bewusst zu, versuchte beispielsweise einem Sinti die Aussage abzuringen, die Beleidigung “Du Zigeuner” sei nicht beleidigend, oder fragte penetrant nach der psychischen Gesundheit eines Zeugen, der nach einem heftigen Schlag von Feldmann aus Dortmund weggezogen war und nur unter Androhung einer polizeilichen Vorführung überhaupt dazu zu bringen war, vor Gericht zu erscheinen. So schuf Picker ab dem ersten Verhandlungstag einen Angstraum im Gericht, wegen dem sich mehrere Zeug*innen nur schwer und unter Androhung von Sanktionen durch die Richterin überhaupt zu einer Aussage durchringen konnten.
Die Richterin verhandelte allein Feldmanns Straftaten und übersah dabei mit ihren juristischen Scheuklappen scheinbar die politische Dimension seiner Taten und deren Hintergründe. Mit Fragen an einen jüdischen Geschädigten, wie sehr oder weniger schlimm sich die Beleidigung als “Judenhurensohn” denn genau angefühlt habe, oder durch fehlende Ordnungsrufe bei offensichtlich propagandistischen Fragen von Picker, die nichts zum Verständnis der Zeug*innenaussagen beitragen konnten, ließ sie den Rechten im Gericht immer wieder freien Lauf und übernahm danach wie in einer Verhandlung über ein unpolitisches Drogendelikt wieder das Wort, als sei nichts gewesen.
Als ein Beweisvideo von einem Angriff von Feldmann und einigen anderen Rechten auf einige migrantische Jugendliche in einem Bus gezeigt wurde, war darin auch ein Mann mit Afro zu erkennen. Im Gerichtssaal saß zu diesem Zeitpunkt zufällig ein schwarzer Jugendlicher mit Afro, der als Schüler den Prozess beobachten sollte. Picker machte sich einen Spaß aus der provokanten Frage, ob “der da mit der Frisur” im Saal nicht der Afroträger im Video sei, so als sähen alle schwarzen Menschen jeden Alters mit Afro gleich aus. Picker lachte dabei und auch Feldmann und die Nazis im Publikum zeigten sich sehr erheitert über den rassistischen Einwurf. Die Richterin jedoch ließ tatsächlich den Jugendlichen vortreten. Der sichtlich irritierte 15-Jährige musste sich das jahrealte Video anschauen und sagen, dass er die erwachsene Person mit Afro nicht kenne und das auf keinen Fall ihn zeigen könne. Hier ist die Richterin noch einen Schritt weitergegangen, als sie bisher durch ihre schweigende Akzeptanz rechter Störungen des Prozesses vonseiten Pickers schon gegangen war. Sie machte sich aktiv zur Helferin beim Projekt, den Prozess gegen einen faschistischen Gewalttäter zu einer rechten Farce zu machen, bei der sich Feldmann, sein Nazianwalt und die Rechten im Publikum köstlich amüsieren.
Auch die Justiz ließ besonders am ersten Verhandlungstag den Rechten freien Lauf. Ca 40 Nazis und 20 Linke waren da, um den Prozess zu beobachten. Schon vor Öffnung des Saals drängten sich die Nazis unter Augen der wenigen anwesenden Justizbeamten teils unter körperlicher Gewalt nach vorn, um sich Sitzplätze zu sichern. Dabei fielen Beleidigungen sowie Vergewaltigungs- und Morddrohungen in Richtung der Linken. Als die Beamten den Saal öffneten, regelten die Rechten den Einlass zum Saal kurzerhand aggressiv selbst, sodass sie fast den kompletten Saal besetzten und die anderen Prozessbeobachter*innen nicht hinein konnten. Auch Beleidigungen und Drohungen im Anschluss im Saal ließen die Beamten geschehen.
Insgesamt demonstrierte die Dortmunder rechte Szene beim Prozess Macht nach außen und nach innen. Nach außen ist es ein Signal von Stärke, man lässt sich von Repressalien nicht beeindrucken und steht fest zum Kameraden Feldmann. Nach innen zeigt die Szene so, dass man zu Kamerad*innen hält, sie nicht allein lässt und auch Gewaltexzesse wie die von Feldmann feiert und ihn zu einer Art Märtyrer stilisiert. Die Prozesskosten werden üblicherweise aus Kassen der Szene gezahlt, und Kundgebungen im deutschen und europäischen Raum für die Freilassung von Feldmann machen aus seiner Inhaftierung ein rechtes Propagandaprojekt. Solche Prozesse haben keinerlei langfristige Wirkung auf die rechte Szene und werden nicht helfen, Feldmann von Gewalttaten abzubringen.