Redebeitrag 02.11.2019: Überblick Neonazis in Dortmund

Das Dortmund ein großes Problem mit Neonazis hat, ist weithin bekannt. Aber wer ist das überhaupt, der da im Stadtrat und in den Medien rechte Propaganda verbreitet, Demonstrationen abhält und mit Gewalttaten von sich reden macht?

Die Dortmunder Naziszene hat viele Facetten. Im lokalen Ableger der Partei “Die Rechte” hat sich der harte Dorstfelder Kern genauso wie viele weitere Neonazis organisiert. Bei der letzten Kommunalwahl 2014 bekam die Partei 2.000 Stimmen – ein grober Anhaltspunkt zur Antwort auf die oft gestellte Frage, wie viele Neonazis es in Dortmund gibt.

Die Rechte hat somit ein Prozent der Gesamtstimmen in Dortmund bekommen und sich einen Sitz im Stadtrat gesichert. Aktuell hat Michael Brück diesen Sitz inne. Brück ist ein seit vielen Jahren in der rechtsextremen Szene aktiver Kader, der es schaffte, in der strammen Hierarchie der Dortmunder Neonazis ganz nach oben zu klettern. Aktuell hat er allerdings Konkurrenz von einem weiteren Neonazi, der ebenfalls einen ehrgeizigen Führungsanspruch an den Tag legt: Sasche Krolzig, zugezogen aus Bielefeld. Krolzig ist Vorsitz der Bundespartei Die Rechte.

Dortmund hat eine Führungsrolle innerhalb der Nazipartei inne. Die Rechte bildet im Stadtrat eine Ratsgruppe mit der NPD, die in Dortmund allerdings kaum von Relevanz ist. Diese Ratsgruppe bringt den beiden Parteien insgesamt 42.000 Euro jährlich ein. Geld, das sie zur Umsetzung ihrer Nazipropaganda nutzen. Zudem hat Die Rechte aktuell Sitze in den Bezirksvertretungen Innenstadt-Nord, Scharnhorst, Huckarde und Mengede.

Aber auch außerhalb der Parteiarbeit ist die lokale Naziszene organisiert. In der Aktionsgruppe Dortmund West haben sich ca. 15 junge Rechte zusammengetan, die in Dortmunds westlichen Stadtteilen aktiv sind. Sie scheinen sich nicht in eine Parteistruktur eingliedern zu wollen. Trotzdem sind sie eng an die Partei Die Rechte angebunden und übernehmen für sie Aufgaben, mit denen sich die Parteikader schon lange nicht mehr die Hände schmutzig machen wollen. Sie üben Gewalt gegen politische Gegner*innen aus und sind aktionistisch aktiv, schlagen sich beispielsweise viele Nächte mit Plakaten und Kleister um die Ohren oder beschmieren Wände in westlichen Vierteln mit Nazisymbolen.

Außerdem gibt es noch rechte Gruppierungen, die schon seit Langem bestehen: Da ist die Skinhead Front Dortmund Dorstfeld. Seit 15 Jahren tun unter diesem Namen klassische Skinheads, was Skinheads eben tun: saufen, Konzerte besuchen und sich prügeln. Wenn sie auch was kommunalpolitischen Einfluss und Ambitionen angeht das Schlusslicht in der lokalen rechten Szene bilden, sind sie doch nicht zu unterschätzen: 2005 erstach Skinheadfront-Mitglied Sven Kahlin den Punk Thomas Schmuddel Schulz. Aber dieser und andere Gewaltexzesse der Skinfront sind schon Jahre her. Auch wenn Teile ihrer Mitglieder auch heute noch aktiv sind, ist die Gruppe in der Bedeutungslosigkeit versunken.

Einen ähnlichen Abstieg hat auch die Borussenfront hinter sich. Die BVB-Nazihooligans der Borussenfont gibt es zwar schon seit den 80er Jahren, aber die Vormachtstellung im Stadion haben sie schon lange abgegeben. Seit ihrem 30. Jubiläum hat die Gruppe eine “Junge Garde” von Nachwuchshooligans, aber auch sie schaffte es nicht, im Stadion eine Vorherrschaft zurückzuerkämpfen.

Was spätestens seit dem Mord an Walter Lübcke vielen bekannt sein dürfte: Dortmund ist ein Hotspot des Rechtsterrorismus. Die Band Oidoxie rund um Frontmann Marko Gottschalk aus Brechten ist eine Art Headliner von Combat18, dem terroristischen Arm des verbotenen Netzwerks Blood & Honour. Oidoxie besingt C18 als Terrormaschine. Was die Band rund um Gottschalk nur besingt, setzen andere in die Tat um. In Dortmund gab es seit dem Jahr 2000 ganze fünf rechte Morde, darunter auch eine Tat des NSU. 2006 erschoss der NSU Mehmet Kubaşık in seinem Kiosk in der Dortmunder Nordstadt. Die Helfer*innen unter den Dortmunder Neonazis sind bis heute nicht bekannt. Allerdings taucht ein Name besonders häufig auf, wenn es um Rechtsterrorist*innen in Dortmund geht: Robin Schmiemann, der heute in Castrop-Rauxel wohnt, ist einer der führenden Kader von Combat18 in Deutschland und tritt als deren Pressesprecher auf. Er hätte 2007 bei einem Supermarktüberfall fast einen Tunesier erschossen. Heute ist Schmiemann auf vielen Aktionen von Die Rechte mit dabei. Die Partei und auch die übrige lokale Szene bekennt sich damit öffentlich zu rechtem Terror.

Die Dortmunder Nazis sind strukturell gut aufgestellt. Sie haben neben ihren drei Wohnhäusern in Dorstfeld und der momentan wegen laienhaften Renovierungsversuchen unbenutzbaren Parteizentrale in Huckarde die Immobilienfirma DAMM, um bei Bedarf praktisch an weitere Immobilien kommen zu können. Mit dem Naziladen Tonsberg in der Innenstadt gibt es nun in Dortmund auch wieder ein rechtes Bekleidungsgeschäft. Zwar gehören die Betreiber*innen nicht zu den Dorstfelder Kadern, aber die hiesige Naziszene und auch alle, die von weiter weg bereit sind, zu Westdeutschlands einzigem Thor Steinar-Laden anzureisen, sind ihre Kund*innen.

Zwei Betätigungsfelder sind in Dortmund aktuell im Aufschwung: Der “Kampf der Nibelungen” schickt Nazis gegen Nazis in den Boxring und lässt ein Nazipublikum zuschauen. Rechter Kampfsport wird in der Szene aktuell richtiggehend gehypet. Der Organisator Alexander Deptolla ist ein Dortmunder Neonazi, also geht einiges an Geld über diese Events in Dortmunder Kassen. Allerdings setzte Deptolla vor wenigen Wochen viele tausend Euro in den Sand, weil sein Event verboten wurde. Das zweite Feld, in dem Dortmunder Nazis heute auffallen, ist der Fußball. Wie gesagt ist die Borussenfront schon lange nicht mehr von Bedeutung. Einige junge Neonazi-Hooligans und Kampfsportler haben sich aber zu der Gruppe “Northside” zusammengetan, die Fußballfans bedroht und mit Sven Kahlin einen Nazimörder in ihren Reihen hat. Die Gruppe versucht, in der Fußballszene die Vorherrschaft zu erringen.

Dortmund wird oft als Nazihochburg bezeichnet. Und ja, die Nazis hier sind sehr aktiv. Wöchentlich sind ihre Kameradschaftsabende. Sie veranstalten Konzerte und Vorträge, sind in internationalen Bündnissen aktiv und begehen immer wieder gehäuft Gewalttaten gegen linke, schwarze und andere Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen. Sie halten einen regelrechten Marathon an Kundgebungen und Demonstrationen seit Jahren durch. Mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit über den Blog DortmundEcho, das Magazin NS Heute und ihren Social Media Auftritten versucht die Partei, ihre Propaganda zu verbreiten, erreicht damit aber vor allem die, die ohnehin schon vom Neonazismus überzeugt sind.

Was bedeutet das alles nun für uns? Für uns, die wir uns gegen Rechts stellen? Ja, Dortmund hat eine aktive rechte Szene. Ja, sie ist gut organisiert und gewalttätig. Aber davon müssen wir uns nicht einschüchtern lassen! Es gibt viele Erfolge gegen die Nazis hier. Zuletzt drangsalierten sie die Nordstadt mit wöchentlichen Demos, die sie allerdings doch nicht wie geplant bis Weihnachten durchführen. Der Protest im Viertel mit Blockaden und Demonstrationen und die Tatsache, dass sie wie durch Zauberhand nie alle unversehrt zurück nach hause gekommen sind, hat ihnen offenbar den Spaß an den Aufmärschen verdorben.

Sogar der von den Nazis propagierte “Nazikiez Dorstfeld” ist ein Mythos. Abgesehen von den Häusern in der Emscher- und Thusneldastraße, wo die Parteikader der Rechten ihre WGs haben, ist auch in Dorstfeld das Leben ganz normal. Der migrantisch geprägte Stadtteil steht nicht unter dem Einfluss von Nazis, sie sind ein viel zu kleines Licht, auch wenn sie es gerne anders darstellen. Sogar ihre Nazikiezgraffitis mussten kürzlich anderen Bildern weichen.

Auch ab von der Straße macht die hiesige Szene eher mit einzelnen PR-Maßnahmen von sich reden, die auf mediale Aufmerksamkeit zielen, als mit tatsächlichen politischen Erfolgen. Wirkliche seriöse Kommunalpolitik ist von ihnen nicht zu erwarten. Sie haben hier in Dortmund keinen nennenswerten Einfluss auf das Leben der Zivilgesellschaft; durch ihren radikalen Neonazismus haben sie sich jede Anbindung an rechtsoffene Rassist*innen wie AfD-Klientel oder Pegida-Anhänger*innen verbaut und machen daher isoliert Politik für ihre Blase von extremen Rechten.

Linke und migrantische Initiativen können hier ungehindert ihre Arbeit machen. Solange wir gegen die Nazis aktiv sind, halten wir uns den Rücken für solches Engagement frei. Die Nazis sind nicht unbesiegbar. Sie haben nicht unbegrenzte Ressourcen und sie können zurückgedrängt werden, wo wir zusammenstehen. Lasst Betroffene von rechter Gewalt nicht allein! Protestiert, wenn Nazis durch euer Viertel laufen! Tut euch mit anderen Antifaschist*innen zusammen, tut etwas gegen Thor Steinar, lasst sie uns niederschreien und zu Boden ringen und ihnen zeigen, dass Dortmund uns gehört!